Es gibt kein Foto von unserer nächtlichen Leiterrunde. Wenn es eines gäbe, müsste es eigentlich zeigen, wie sehr wir uns den Mücken ausgesetzt haben, denn offenbar haben sich auch die Mücken jeden Abend an derselben Stelle getroffen.

Das internationale Team hat sich jeden Abend in der Mitte des Platzes von OLOP unter dem Baldachin getroffen. Beteiligt waren Yazan, Fayrouz und Issa aus Jordanien, Hanna und Haya aus Israel sowie Helga und Karl aus Deutschland.

Während wir zunächst immer über den aktuellen Tag gesprochen haben, haben wir uns auch jeweils mit dem nächsten Tag befasst. Richtig interessant wurde es, wenn wir über Missverständnisse gesprochen haben. Diese waren zunächst meist in einem Feedback verborgen.

Zum Beispiel erhielten wir Deutsche direkt am Montag das Feedback, wir seien zu sehr darauf bedacht, alle anderen an die deutsche Pünktlichkeit zu erinnern. Das käme bei den Teilnehmer*innen der anderen Verbände gar nicht gut an.

Wie kam es zu dieser Wahrnehmung?

Am Montagmorgen waren wir DPSG’ler*innen für das Programm zuständig, da Malek uns am Vortag vermittelte, dass Programmstart um 8 Uhr sei, versammelten wir uns auf dem Platz. Bereits um 8 Uhr war es richtig schön warm, sodass es sich anbot, im Schatten zu stehen. Während die Israelis zwar schon mit uns versammelt waren, fehlten die jordanischen Leiter*innen nahezu komplett. Es zeigte sich, dass ein Missverständnis seitens des Programmstarts vorlag. Das Programm sollte wie zuvor geplant um 9 Uhr starten, nach dem Frühstück.

In Folge löste sich unsere Versammlung auf, wir frühstückten und versammelten uns dann erneut um kurz nach 9 Uhr auf den Treppenstufen vor der Kirche. Auf dem Weg dorthin, keine 20 Meter, versuchten wir Deutsche alle angetroffenen Leiter*innen zu motivieren, mit uns zu kommen. Damit wir starten könnten. In uns steckte Begeisterung für den Tag und Neugier, um die neuen Freund*innen kennenzulernen!

Diese Begeisterung schwappte nicht über.

Foto: Karl Goldstein

Als wir gegen 23:30 Uhr über diese Wahrnehmungen sprachen, lernten Helga und ich, dass es auch unter den Leiter*innen während des Leadership Trainings 2.0 klare Hierarchien gab, die wir einhalten sollten. Es ist wohl mit einem Kommunikationsmodell vergleichbar.

In der Hierarchie der israelischen und jordanischen Pfadfinderbewegung ist offenbar klar geregelt, wer Anweisungen erteilen darf und wessen Anweisungen auch befolgt werden. So kann hier zwar jede*r von uns eine Einladung aussprechen in Form von „Yallah, mach doch mit!“ oder „Yallah, gleich geht’s los!“, doch nur die der verantwortlichen Person jeder Gruppierung wird tatsächlich umgesetzt.

Unseren neuen Freunden wirkten wir in dem Moment als zu bestimmend.

Wir schilderten unsere Botschaft, die wir in „Yallah, let’s go!“ transportieren wollten. Uns Deutschen ist wichtig, dass alle mitmachen können. Daher sehen wir es als eine freundliche Geste an, andere auf dem Weg zu erinnern. Wir sehen uns als gleichzeitig auf dem Weg. Wir sind miteinander und füreinander da.

Unseren neuen israelischen und jordanischen Freunden wurde klar, dass unsere Haltung freundlich gemeint war.

An dem Montagabend vereinbarten wir, dass wir die Hierarchien einhalten würden. Das nahm den gefühlten Druck bei unseren neuen Freunden raus und ermöglichte uns eine zuverlässigere Kommunikation mit den Leiter*innen insgesamt.

Uns Deutschen wurde klar, dass wenn wir etwas bewegen wollten, dass dies nur über das internationale Team funktionieren würde. Alles was wichtig wurde, wurde in der nächtlichen Leiterrunde besprochen, die jeweiligen Ansprechpartner informierten ihre Gruppen und die Zusammenarbeit klappte nachfolgend deutlich besser.

Die nächtliche Leiterrunde dauert immer so lange, wie es nötig war, alle offenen Themen zu klären. Dabei ging es uns auch immer darum zu klären, was wir gerade fühlen und wo wir gedanklich/emotional stehen. Meistens zog sie sich bis nach ein Uhr.

(Autor: Karl)

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